Berliner Zeitung und Berliner Kurier berichten: Kündigung von Sparverträgen demnächst auch in Berlin?

Wie die Berliner Zeitung und der Berliner Kurier heute berichten, wird wohl gerade auch bei der Berliner Sparkasse über Kündigungen sog. Prämiensparverträge nachgedacht.
Dutzende Institute haben schon Kündigungen verschickt – zuletzt nach einem BGH-Urteil im Mai, das zugunsten der Sparkassen ausging – die Sparkasse Nürnberg, die allein 21000 Verträge gekündigt hat. Nach dem BGH-Urteil dürfen Sparkassen Prämiensparverträge jedenfalls dann kündigen, wenn die höchste Prämienstufe erreicht ist (Az. XI ZR 345/18) und, was oft übersehen wird, sofern im Vertrag keine feste Vertragsdauer vereinbart worden ist. Gerade bei den Verträgen der Nürnberger Sparkasse ist jedoch eine Vertragsdauer bestimmt (20 Jahre) und deshalb keine vorzeitige Kündigung möglich.

Experten betonen: Nicht jeder Sparvertrag darf gekündigt werden

„Das BGH-Urteil bedeutet nicht, dass es gleichsam auf alle Prämiensparverträge anzuwenden ist“, sagt der Sparkassenexperte Dr. Storch. „Nicht alle Produkte dürfen gekündigt werden“, Verbraucher sollten den Vertrag im Zweifelsfall von einem spezialisierten Rechtsanwalt überprüfen lassen.“ Denn das BGH-Urteil beziehe sich auf einen ganz bestimmten Vertragstyp einer einzelnen Sparkasse, in diesem Fall der Kreissparkasse Stendal in Sachsen-Anhalt.

Zwar ist das Sparprinzip immer ähnlich: Man vereinbart eine feste Monatsrate, die man üblicherweise nicht erhöhen kann, bekommt einen monatlichen variablen Zins und eine Bonusstaffel, die in der Regel über 15 Jahre läuft. „Aber jede Sparkasse konnte im Detail, sowohl über die Verzinsung als auch über die Nebenbedingungen, eigene Bedingungen in den Vertrag schreiben und das anders formulieren als die Nachbarsparkasse“, sagt Dr. Storch. Unterschiedlich wurde etwa die Laufzeitangabe gehandhabt. „Wenn das Produkt für eine bestimmte Laufzeit ausgeschrieben ist, dann greift das BGH-Urteil nicht ein.“ Dies berief sich nämlich darauf, dass keine feste Laufzeit angegeben war.

Altverträge bei der Sparkasse Berlin

Das Altprodukt bei der Berliner Sparkasse hieß „Vorsorgesparen flexibel“, andernorts führten es die Sparkassen unter „Prämiensparen flexibel“ oder „Prämiensparvertrag“. Wie viele Kunden noch Altverträge besitzen, ist nicht bekannt, da jede der rund 400 Sparkassen in Deutschland individuelle Verträge unter eigenem Namen verkauft hat. Doch allein bei der Nürnberger Sparkasse etwa, die kürzlich Sparvertragskündigungen zu Ende September ausgesprochen hat, sind es über 20 000 Verträge, in der Summe werden es also Hunderttausende sein.

Auch bei der Berliner Sparkasse ist von Altverträgen auszugehen, die noch eine Weile laufen werden. Das Produkt „Vorsorgesparen flexibel“ ist erst im Juli 2016 vom Markt genommen worden. Ersetzt wurde es durch ein Prämiensparprodukt namens „Zinssparen“, dabei liegt der Basiszins allerdings bei mickrigen 0,01 Prozent, ab dem dritten Jahr bekommen Sparer jährlich steigende Bonuszahlungen von bis zu 12 Prozent im 15. Sparjahr. Wer also 100 Euro monatlich einzahlt, bekäme im 15. Jahr 144 Euro Bonus. „Das ist ein relativ kleiner Betrag und sicherlich nicht vergleichbar mit den Altverträgen“, sagt Dr. Storch. Bei diesen Verträgen dürfte deshalb auch kaum Gefahr bestehen, dass die Sparkasse sie kündigt. „Der geringe Betrag schmerzt sie nicht so sehr wie Altverträge.“

In Berlin noch keine Fälle von gekündigten Prämiensparverträgen bekannt

In Berlin zumindest ist aber auch von gekündigten Altverträgen bislang noch nichts zu hören. „Gekündigte Sparverträge sind seit Längerem sporadisch ein Thema bei uns, aber nur von Verbrauchern, die solche in anderen Städten abgeschlossen haben“, sagt Volker Schmidtke, Referent für Finanzdienstleistungen bei der Verbraucherzentrale Berlin. Fälle der Berliner Sparkasse seien noch nicht an die Verbraucherschützer herangetragen worden.

Die Sparkassenlandschaft ist groß, und jedes Institut verhält sich anders. Gegenüber der Nachrichtenagentur dpa äußerte sich der Deutsche Sparkassen- und Giroverband jedoch nach dem BGH-Urteil im Mai: „Bei sehr lang laufenden Verträgen“ müsse es möglich sein, „auf veränderte wirtschaftliche Bedingungen angemessen reagieren zu können“, teilte ein Sprecher auf Anfrage mit.

Experten raten Zinsanpassung zu überprüfen

Doch nicht erst bei Kündigung lohnt es sich, den Prämiensparvertrag zu überprüfen. Darauf haben u.a. die Verbraucherzentralen aufmerksam gemacht. Diese haben langfristige Sparverträge auf die Höhe der Zinsen überprüft und vielfach Verstöße festgestellt. So darf der Basiszins in den Prämiensparverträgen nach mehreren Urteilen des BGH nicht willkürlich geändert werden, sondern muss sich an einem Referenzzins orientieren. „Im Mittel haben die Sparer nach Berechnung der VZ nur die Hälfte der Zinsen erhalten, die ihnen bei Anwendung der BGH-Rechtsprechung zustünden“, fasst Dr. Storch die Ergebnisse zusammen. Dies war zum Beispiel der Fall bei der Frankfurter Sparkasse. Rechtliche Schritte sind eingeleitet worden, und das Frankfurter Institut hat eine Unterlassungserklärung abgegeben.

„Aber nicht nur Kunden der Sparkasse Frankfurt haben große Chancen auf einen Erstattungsanspruch, weil die Zinsen anders berechnet worden sind, als die Rechtslage es vorschreibt“, sagt der Fachanwalt Dr. Storch und rät, die Verträge bezüglich Zinsanpassung und Zinszahlung überprüfen zu lassen.
„Da sich die rechtliche Problematik herumgesprochen hat, machen einzelne Sparkasse mittlerweile durchaus Vergleichsangebote, so Dr. Storch und zwar deswegen, „weil sie eine rechtliche Überprüfung ihrer Abrechnungspraxis scheuen“.