Worum geht es?

Sparkassen kündigen Sparverträge „S-Prämiensparen-flexibel“ (siehe auch Video vom rbb, 29.10.2018)

Der Sparkassenskandal

Nachdem zunächst nur Bausparkassen hochverzinste Bausparverträge gekündigt hatten, zogen jetzt vor allem die Sparkassen bei der Kündigung von langfristig angelegten Sparverträgen (S-Prämiensparen flexibel) nach. Anfänglich hatten überwiegend Sparkassen in den ostdeutschen Bundesländern versucht, die missliebigen Sparverträge samt den betroffenen Sparern (zumeist Rentner, die für sich oder ihre Kinder Geld auf die Seite legen wollten) loszubekommen.
Da die Kündigungen juristisch fragwürdig sind, sich zwischenzeitlich auch die Politik mit dem Thema beschäftigt und es offenbar Absprachen im Sparkassenverband gegeben hat, sprechen wir mittlerweile von einem Sparkassenskandal.
Es kommt hinzu, dass sich mittlerweile auch die Einbrüche in die Schließfachanlagen der Sparkassen häufen. Dabei sind ein weiteres Mal überwiegend Kunden betroffen, die in der langanhaltenden Niedrigzinsphase ab 2015 ihre Ersparnisse von den Konten abgezogen  und in Schließfächer gepackt hatten hatten – auch um Strafzinsen zu vermeiden – und nunmehr durch die Schließfacheinbrüche (vgl. nur die Einbrüche in die Sparkasse Norderstedt 2021 und Strausberg 2023) doppelt bestraft sind. Auch insoweit beobachten wir, dass die Sparkassen sich ihrer Verantwortung entziehen, etwa dadurch, dass sie sich auf vermeintliche Haftungsbeschränkungen berufen. Erst im Juli 2023 ist diese Einschätzung durch das Landgericht Hamburg bestätigt worden, nachdem der Vorsitzenden Richter Ruholl die Hamburger Sparkasse (Haspa) gleich mehrmals darauf verwiesen hatte, dass der Tresorraum zum fraglichen Zeitpunkt nicht ausreichend gesichert war.

Der Zins-Skandal ist auch beim höchsten deutschen Zivilgericht, dem Bundesgerichtshof angekommen, der am 14. Mai 2019 (XI ZR 345/18) ein Urteil gefällt hat. Dieses betraf jedoch nur einen Teil der Fälle und die Frage der rückwirkenden Zinsansprüche war garnicht behandelt worden.

Mit Urteil vom 22.04.2020 (5 MK 1/19) hat etwa das OLG Dresden im ersten Musterfeststellungsverfahren entschieden, dass die branchenübliche Zinsklausel der Sparkasse Leipzig unwirksam ist und die daraus resultierenden Zinsansprüche nicht verjährt sind.
Dem haben sich ab 2020 zahlreiche Gerichte angeschlossen, so etwa das LG Frankfurt/Oder und das LG München I. Der BGH hat diese Rechtsauffassung mit Urteil vom 06.10.2021 (XI ZR 234/20) vollauf bestätigt. Das LG Frankfurt/Oder hat sodann mit Urteil vom 02.11.2021 die Sparkasse MOL erstmals zur Zahlung von rund 7.500,0 € an Zinsen verurteilt. In weiteren Urteilen hat die Bankenkammer des LG Frankfurt (Oder) seine Rechtsauffassung wieder relativiert und den Sparern nur ca. 50% ihrer Forderung zugesprochen. Wir haben allerdings in allen Verfahren Rechtsmittel eingelegt, am Oktober 2022 wird sich daher der 4. Senat des OLG Brandenburg mit diesen Urteilen befassen.

Wir haben von Anfang an gemeint, dass sich schon deshalb der von uns betriebene Aufwand für unsere Mandanten am Ende lohnen wird.  Wir sehen uns darin durch das zitierte Grundsatzurteil des BGH (XI ZR 234/20) bestätigt.

Der Begriff Sparkassenskandal trifft aber auch deswegen den wunden Punkt, weil die Sparkassen meist über die gesamte Laufzeit hinweg zu niedrige Sparzinsen gezahlt haben und Sparer rückwirkend Zinsforderungen in ganz erheblich Höhe geltend machen können. Schlüssel dafür ist, dass die in den Verträgen verwendeten Zinsanpassungsklauseln unwirksam sind. Diese sind durch solche Klauseln zu ersetzen, welche dem langfristigen Anlagehorizont der Sparer am nächsten kommen. Auf dieser Grundlage gelangen wir zu Zinsrückforderungen je nach Sparrate von 3.000 bis 20.000 €.
Im Februar 2020 hat sich sogar die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in den Skandal eingeschaltet und sich auf die Seite der Sparer geschlagen:
Sie erachtet die Vorgehnsweise der Banken als „Missstand“ und hat die Institute aufgefordert, ihre Kunden von sich aus über unwirksame Zinsklauseln zu informieren und angemessene Lösungen anzubieten, ein bislang einmaliger Vorgang in der Bankenaufsicht. Anfang 2021 hat die BaFin die angekündigte Allgemeinverfügung erlassen, die Sparkassen haben postwendend dagegen Widerspruch eingelegt.